Interkulturelles Wissen

«Geheime Reise» in Nazi-Deutschland

Der Berner Literaturwissenschaftler Oliver Lubrich hat «Die geheime Reise» herausgegeben: ein zunächst anonym erschienener Roman, ergänzt um ein Tagebuch von einer Reise in Nazi-Deutschland 1941.

Der französische Schriftsteller Marcel Jouhandeau nahm im Herbst 1941 an einer Rundfahrt durch Nazi-Deutschland teil und veröffentlichte später anonym einen Roman dazu: «Le Voyage secret». Dieser Roman ist 2022 erstmalig in deutscher Übersetzung erschienen, ergänzt durch Jouhandeaus Originalreisetagebuch, das enthüllt, wie sich ein französischer Intellektueller durch den Faschismus verführen liess und wie er seine Kollaboration künstlerisch verarbeitete.

«Die geheime Reise», in der es zunächst vor allem um die Geschichte einer verbotenen Liebe zwischen zwei Männern zu gehen scheint, hat Oliver Lubrich zusammen mit dem historischen Tagebuch von 1941 herausgegeben (und es auch aus dem Französischen übersetzt). Laut Lubrich, Professor für Neuere deutsche Literatur und Komparatistik an der Universität Bern, hat sich Jouhandeau damals auf eine Rundreise eingelassen, die zu einer Propagandaveranstaltung mit Joseph Goebbels in Weimar geführt habe. In «Die geheime Reise» hat er seine Kollaboration mit den Nationalsozialisten raffiniert verschlüsselt und zugleich subtil angedeutet.

Das Tagebuch dokumentiert Begegnungen mit französischen Zwangsarbeitern und mit Juden, die den gelben Stern tragen. Zusammen mit dem Roman bietet es als historisches Zeugnis Innenansichten aus der kriegführenden Diktatur und eine psychologische Studie der Kollaboration.

Lubrich untersucht in seinem Forschungsprojekt die Zeugnisse internationaler Reisender aus dem nationalsozialistischen Deutschland, zu denen zum Beispiel Max Frisch, Virginia Woolf und Samuel Beckett zählen. 

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